Vereinsgeschichte
Vor fast 150 Jahren, am 2. Jänner 1876 hat der Schriftsteller Dr. phil. Franz Weithmann aus Günzburg an der Donau, im bayrischen Schwaben gelegen, im Restaurant Schröder an der Holzmarktstraße 3 im Zentrum Berlins mit 27 weiteren Landsleuten den Verein der Bayern in Berlin gegründet. Heute haben wir 94 Mitglieder.
Schon im Oktober 1875 forderte er in Anzeigen in Berliner Blättern in der Reichshauptstadt lebende bayrische Landsleute auf, sich einmal in der Woche, am Samstag, zu einem gesellschaftlichen Abend zu versammeln.
Unser Verein ist der zweitälteste Bayernverein in Deutschland. Der älteste Bayernverein im von neuem entstandenen Deutschen Reich ist bereits im Sommer 1875 in Chemnitz gegründet worden. Die Gründung lag nahe, weil die junge Reichshauptstadt einen großen Sog auf Zuwanderer aus allen deutschen Bundesstaaten und Nachbarndern ausübte.
Damals lebten in Berlin ca. 6000 Bayern. Von Anfang wurde der Verein von der, beim preußischen Hof akkreditierten Königlichen Bayerischen Gesandtschaft und damit von der Bayerischen Staatsregierung unterstützt. Am 12. März 1895 trat der bayerische Gesandte in Berlin, Graf von und zu Lerchenfeld dem Verein bei und übernahm auch den Ehrenvorsitz. 1906 wurde er Protektor des Vereins. Im gleichen Jahr nahm Prinz Ludwig von Bayern das Ehrenprotektorat des Vereins ein. Ihm folgte in dieser Funktion ab 1913 Kronprinz Rupprecht von Bayern. Einen großen Aufschwung erfuhr der Verein ab 1890. In den Mitgliederlisten erschienen bald die Namen vieler bekannter bayerischer Familien aus Adel und Bürgerschaft, die dem Verein gesellschaftlichen Rang vermittelten. Nicht wenige der Mitglieder spielten im politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen und wissenschaftlichen Leben Berlins eine Rolle. Dem Verein war es gelungen, in Berlin lebende Bayern und deren Familien ohne Rücksicht auf ihre politische, religiöse oder gesellschaftlichen Stellung zusammenzuschließen.
Am 29.07.1888 erfolgte die feierliche Übergabe der, durch freiwillige Spenden finanzierten Vereinsfahne. Die Festlichkeiten und Veranstaltungen gewannen immer mehr die Beachtung der Berliner Öffentlichkeit und ihres gesellschaftlichen Lebens. Mehrmals konnte sich der Verein der Teilnahme des Berliner Hofes erfreuen. 1899 wurde die Einführung von Gastkarten für Nichtbayern beschlossen. Im selben Jahr kam es zur Gründung einer eigenen Trachten – und Schuhplattlergruppe, sowie einer Sanges – und Tanzgruppe.
Mit der Eintragung im Vereinsregister am 17.07.1901 gewann der Verein Rechtsfähigkeit. Am 16.04.1910 bekam die Schuhplattlergruppe eine eigene Standarte verliehen.
Die Pflege von freundschaftlichen Beziehungen zu landsmannschaftlichten Verbänden und Vereinen – auch außerhalb Berlins – mit Interesse an bayerischem Land und Leuten insbesondere mit andernorts bestehenden Bayernvereinen, mit den Sachsen, Württembergern Österreichern, Badenern, Elsässern, Rheinländern, Hessen, Lausitzer Wenden, in jüngerer Zeit auch mit den Schlesiern, Egerländern, Pfälzern, Schweizern, Finnen und Ungarn. Mit dem plattdeutschen Verein Quickborn verband unseren Bayernverein ein richtiges Freundschaftsband.
Als Mittel zur Verbindung unter den Mitgliedern diente die seit der Jahrhundertwende im eigenen Verlag erschienene Bayernzeitung, die unter verschiedenen Namen herauskam, wie „Raupe“, „Hüttennachrichten“, „Der Bayer“, „Mitteilungsblatt des Bayernvereins“ und neben Vereinsnachrichten, Personalien, Jahresberichten, Mitgliederverzeichnisse auch bayerische Novellen und Erzählungen im Unterhaltungsteil enthielt. Ein besonderes geistiges Bindeglied zur bayerischen Heimat bildete die durch Stiftungen 1879 geschaffene, ca. 800 Bände umfassende Vereinsbibliothek.
1912 kam es anlässlich eines Bayerntages in München, an dem Landsleute aus dem Reich, Amerika, England, Österreich und der Schweiz anwesend waren, zur Gründung eines Verbandes der Bayernvereine. Schon früh war sich der Bayernverein seiner sozialen Pflicht zur Unterstützung notleidender Landsleute bewusst.
Der Unterstützungskasse flossen bereits 1897 / 1898 ein Fünftel der Mitgliederbeiträge und später noch durch Stiftungen und Sammlungen wie der „Graf – Lerchenfeld – Stiftung“, „Alex – und Wilhelm – Voit – Stiftung“, und der „König – Ludwig III – Geburtstags – Stiftung“ reichlich Geldmittel zu. Der Bayernverein hat sich mit diesen karikativen Arbeiten einen nicht zu überhörenden Ruf als Wohlfahrtsorganisation in der damaligen Reishauptstadt erworben.
Der 1. Weltkrieg hat auch im Bayernverein seinen Blutzoll gefordert.
Den Verlust von 39 Mitgliedern und Söhnen von Vereinsmitgliedern hatte er zu beklagen. Auf der 1920 enthüllten 2m hohen Gedächtnistafel, die verschollen ist, findet sich auch der Name mindestens eines jüdischen Mitglieds, des Bankiers und Oberleutnants der Reserve Ernst Mendelssohn – Bartholdy. 1920 zog der 1.stellvertretene Vorsitzende, der Bankprokurist Hans Holl nach München um und gründete dort einen Zweigverein für die in München lebenden Vereinsmitglieder. Ihren Stammtisch hatten sie im Augustiner in der Neuhauser Straße. Seit April 1921 konnten auch Damen unter den gleichen Bedingungen wie Herren dem Verein der Bayern in Berlin beitreten.
Während der Inflation verlor der Verein sein Vermögen bis auf kümmerliche Reste. Um den häufigen Wechsel der Vereinslokale in Gastwirtschaften abzustellen und den Verein auf eigenem Grund und Boden in Berlin sesshaft zu machen, gelang es im Jahre 1924 zunächst pachtweise ein sehr schönes, mit reichem Baumbestand versehenes Grundstück im Tempelhofer Feld zu erweben und darauf eine Unterkunftshütte zu errichten, die mehrere hunderte Personen fassen konnte und gut heizbar war. Auf diesem Bayernplatz entwickelte sich Sommer und Winter über ein reges und fröhliches Vereinsleben mit zahlreichen Veranstaltungen heimatlichen Charakters. Besonderst erwähnt werden kann die jährliche Johannifeier und das nach Münchner Art ausgerichtete Oktoberfest.
1936 erwarb der Verein den schon längst ersehnten eigenen Grund in Berlin-Lichterfelde, Hindenburgdamm 7, in Gestalt eines 6000 m² großen Grundstückes mit vielen wertvollen Obstbäumen für 30.000,- RM. Zum Bau des geplanten repräsentativen Vereinshauses ist es wegen des Kriegsausbruches nicht mehr gekommen.
Während des 3. Reiches stand der Verein der Bayern unter Bevormundung des nationalsozialistischen Reichsbundes Volkstum und Heimat. Auf das Diktat einer in die Perversion und das Satanische gekippten Ideologie musste er 1934 seine Satzungen und seinen Namen ändern. Am 12. September 1935 musste das Ehrenprotektorat des Kronprinzen Rupprecht für erloschen erklärt werde.
Wie die ganze Berliner Bevölkerung hatte im 2. Weltkrieg auch der Bayernverein wieder seinen Blutzoll entrichtet. Etliche Mitglieder erlagen den Luftangriffen. Eine Anzahl fiel als Soldaten und mindestens einer, der letzte Bayerische Gesandte in Berlin, Franz Sperr, Ehrenmitglied des Vereines seit September 1934, starb im Widerstand (Kreisauer Kreis) als Opfer des 20. Juli 1944. Nicht wenige flohen aus der Stadt. Genaue Zahlen gibt es nicht, denn wegen der Papierknappheit musste bereits 1941 der Druck unserer Vereinsnachrichten eingestellt werden. Im Chaos, das der Nationalsozialismus 1945 hinterließ, blieb vom Verein der Bayern nur das Gartengrundstück in Lichterfelde übrig.
Ende des Jahres 1948 wurde bei der amerikanischen Besatzungsmacht die Lizenz zum Wiedererstehen des Bayernvereines beantragt und von ihr auch genehmigt. Bereits im Frühjahr 1949 konnte ein neuer Vorstand gewählt und im gleichen Jahr erstmalig wieder ein Johannifest und auch ein Oktoberfest gefeiert werden.
Der Verein erlebte in den fünfziger Jahren wieder eine Blütezeit. 1951 wurde das 75-jährige Gründungsfest in den Kasinosälen des Funkturms wieder als großes Trachtenfest gefeiert.
Das 100 jährige Stiftungsfest fand 1976 im Prälaten Schöneberg unter dem Protektorat des Regierenden Bürgermeisters von Berlin und der Bayerischen Staatsregierung statt.
Seit 1980 steht auf dem Bayernplatz ein neues schmuckes Vereinshaus, das aus dem Erlös eines an das benachbarte Sommerbad des Bezirks Steglitz abgetretenen 2000 m² großen Grundstückteils finanziert werden konnte.
In den folgenden Jahren hat gerade die Verbundenheit mit dem Heimat- und Volkstrachtenverein Schmidmühlen/Oberpfalz dazu beigetragen, dass in unserem Verein die soziale Verankerung zur bayerischen Heimat, sprich „das Heimatgefühl“, nicht nachgelassen hat.
Zum 140. Gründungsjubiläum wurde dem Verein im Jahr 2016 als dem ältesten aktiven Trachtenverein im Deutschen Trachtenverband die höchste Auszeichnung des Verbandes, die Trachtentafel in Brillant verliehen.
Die Teilnahme von vielen Vereinen aus dem ganzen Bundesgebiet, insbesondere der Oberpfalz und dem Chiemgau, zum 140. Gründungsfest, stärkten die Motivation der „Bayern in Berlin“, sich in der Bundeshaupstadt auch in Zukunft für die aktive Pflege des bayerischen Brauchtums einzusetzen.
Der Verein sieht in den kommenden Jahren seine Aufgabe weiterhin darin, den bayerischen Landsleuten in Berlin ein Stück Heimat zu vermitteln, wo sie ihre Identität wahren können, d.h. das bayerische Brauchtum mit Sprache, Musik und Tanz zu pflegen. Besonderer Beliebtheit erfreuen sich weiterhin unsere Feste auf dem Bayernplatz, wie Osterfeuer, Almauftrieb/1.Mai, Sommerfest und Oktoberfest.
Berlin 2020
Helmut Amberger